„Baden-Württemberg verbietet Kälbertransporte nach Spanien“, schreibt der SWR gestern Abend auf Basis einer dpa-Meldung.
Nachdem eine SWR-Recherche herausgefunden hatte, dass auch Kälber aus BaWü und Rheinland-Pfalz auf Videos aufgetaucht sind, in denen sie im Nahen Osten geschächtet wurden, hat BaWü reagiert und Transporte von nicht abgesetzten Kälbern nach Spanien verboten. „Nach SWR-Recherchen werden die Kälber über Spanien in den Nahen Osten transportiert und dort geschächtet.“ schließt die Meldung.
Bei den Tieren, um die es geht, handelt es sich um Kälber, die geboren werden, damit die Kühe weiter Milch geben, von den Milchhöfen allerdings als „unnötiger Kostenfaktor“ schnellstmöglich – also im Alter von zwei Wochen – verkauft werden. Der Abverkauf der Kälber ist quer durch alle Spielarten der Landwirtschaft, von konventionell bis ökologisch gängige Praxis.
Die Beschränkung auf „nicht abgesetzte Kälber“ in der Verordnung bedeutet, dass das Verbot für den Transport von Kälbern gilt, die noch mit Milch bzw. Milchaustauscher gefüttert werden. Der Transport von Tieren über 3-4 Monaten, wenn sie schon mit festem Futter gefüttert werden, ist davon nicht betroffen. Weiter bedeutet die Verordnung nichts weiter, als dass aus BaWü keine Tiere gen Spanien abgefertigt werden können. Der Handel und Transport von Kälbern ist aber in keinster Weise von Bundesländergrenzen betroffen; werden die Transportpapiere in Ludwigshafen statt Mannheim ausgestellt, bedeutet das für die Transportunternehmer 2km Umweg um das Verbot zu umgehen.
Was die Verordnung am Ende für die Tiere bewirkt, bleibt skeptisch abzuwarten. Insbesondere in welcher Form es verhindern soll, dass die Tiere über Umwege doch wieder auf solche Schlachthöfe gelangen.
Den Beschluss kann man für die Kälber selbst also getrost als symbolisch bezeichnen.
Davon, dass in irgendeiner Form gezielt verhindert wird, dass Kälber auf solchen Schlachthöfen enden, sind wir weit entfernt. Da sind aber wahrscheinlich auch der Politik die Hände gebunden.
Warum finden solche Transporte überhaupt statt?
Bei den Milchpreisen, die den Landwirt:innen gezahlt werden, wird davon ausgegangen, dass die Kälber mit zwei Wochen abgestoßen werden um kein unnötiger Kostenfaktor zu sein. Wir arbeiten gerade zusammen mit Berater:innen des Demeter-Verbandes intensiv daran, Vorschläge für Höfe und Handelspartner für die Arbeit mit Geschwisterkälbern zu erarbeiten und versuchen parallel auch mit unseren eigenen Partnern aus dem Milchkuhbereich an Lösungen zu arbeiten, die ihnen ermöglichen auf den Abverkauf der Kälber zu verzichten, ohne sich finanziell umzubringen.
Wirtschaftlichkeit ist Grundvoraussetzung
Dass es für die Höfe wirtschaftlich umsetzbar ist, ist Grundvoraussetzung. Nur wenn ein Hof davon leben kann, kann sich etwas entwickeln. Ideen gibt es viele, aber die Umsetzung ist kein Selbstläufer.
Nicht nur die Preispolitik beim Milchgeld ist darauf ausgerichtet, die männlichen (und einen guten Teil der weiblichen) Kälber schnellstmöglich loszuwerden, sondern auch die Höfe an sich sind baulich so aufgestellt, dass nur maximal die Hälfte der geborenen Nachzucht aufgezogen wird.
Was wir bei besserfleisch machen
Insbesondere für unseren Partnerbetrieb Hof HimP versuchen wir mit besserfleisch eine Lösung zu finden. Bäuerin Kirsten zieht jetzt schon einen Teil ihrer männlichen Nachzucht als Ochsen auf. Das Fleisch der Tiere vermarkten wir als Fleischpakete über besserfleisch und zahlen Kirsten für ihre Arbeit einen Preis, der ihre Kosten deckt und ihr auch noch einen Lohn ermöglicht.
Allerdings geht trotzdem noch ein Teil der Kälber im Alter von zwei Wochen vom Hof
Der Hof ist auf die monatliche Überweisung von der Meierei angewiesen, die die gemolkene Milch abnimmt. Würden mehr Kälber aufgezogen werden, müsste nicht nur ein größerer Teil der Milch dafür aufgewendet werden, was das Milchgeld schmälern würde, sondern auch mehr Stallplätze vorgehalten werden und mehr Futter für die zusätzlichen Tiere. Also ist es aktuell eine wirtschaftliche Notwendigkeit für den Hof, einen Teil seiner Kälber abzugeben, auch wenn es für sie oft nur einen symbolischen Preis von unter 30 Euro gibt. Das deckt nicht einmal die Kosten für die Aufzucht in den ersten zwei Wochen, ist trotzdem aber ein geringerer finanzieller Verlust als eine weitere Aufzucht.
Insbesondere im Demeter-Bereich, wo nicht einfach von irgendwo Futter zugekauft werden kann, birgt eine grundlegende Umstellung des Betriebes viele Herausforderungen auf einmal – und alles parallel zur Hofarbeit.
In der Phase der Übernahme, kurz nach der Umstellung auf die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise ist das eine zusätzliche große Aufgabe.
Mit Kirsten arbeiten wir an einem Modell, wie wir als Abnehmer, gemeinsam mit unseren Kund:innen, einen Teil ihres Risikos übernehmen können, indem wir die Kosten der Aufzucht teilweise vorschießen und auch die Abnahme garantieren.
Aktuell kalkuliert Kirsten, wie viele Kälber sie mit dem hofeigenen Futter aufziehen kann und unter welchen Umständen es sogar möglich ist, die Kuhherde zu verkleinern um Platz für die Kälber auf dem Hof zu schaffen. Mit weniger Milchkühen würden gleichzeitig auch weniger Kälber geboren werden. Kann sich der Hof dadurch trotzdem mindestens so gut tragen, wäre es mehrere kleine Fliegen, die dort mit einer Klappe geschlagen würden.
Schaffen wir es für ihren Hof, ist es zwar nur ein kleines Anstinken gegen die riesige Schieflage, die sich in der Milchkälbergeschichte eingeschliffen hat, aber kann ein Anfang sein und vor allem auch eine Möglichkeit, darauf aufmerksam zu machen, dass es Veränderung braucht und wie diese aussehen kann.
Man darf die Bäuer:innen mit der Problematik nicht alleine lassen
Tolles Fleisch aus toller Tierhaltung an Menschen zu vermitteln, die es wertschätzen und damit den Landwirt:innen diese Art der Landwirtschaft zu ermöglichen ist eine tolle Sache hinter der wir voll und ganz stehen. Das Schicksal der Geschwisterkälber auf den Milchhöfen ist aber etwas, dem wir uns als besserfleisch nicht nur nicht verschließen möchten, sondern es aktiv angehen.
Uns auf die Vermarktung des Fleisches der tollen Betriebe zu beschränken mit denen wir schon zusammenarbeiten und die Geschwisterkalbproblematik weit von uns zu weisen wäre ein Leichtes. Allerdings ehrlich gesagt auch schlicht und ergreifend Augenwischerei.
Wir sehen uns als Konsumenten von Milchprodukten mit in der Verantwortung für die Situation der Landwirt:innen und insbesondere der Milchkälber und möchten im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen, etwas zu verändern.
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