Hallo ihr Lieben,
dies wird ein anderer Newsletter. Einer, der mir sehr schwerfallen wird zu schreiben, und gleichzeitig sehr leicht. Ich möchte euch erzählen, wie wir angefangen haben, warum wir uns für das Cowsharing-Modell entschieden haben, und warum es gerade nicht mehr funktioniert.
CowSharing: Kein Lager, Vorfinanzierung und komplette Fleischaufteilung
Besserfleisch ist mit dem Prinzip des Cow-Sharings gestartet.
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Das Prinzip, das Fleisch vor der Schlachtung bereits zu vermarkten, war attraktiv. Das Tier ganz zu verwerten, und dafür zu sorgen, dass alle Teilstücke einen wertschätzenden Abnehmer finden, fühlt sich einfach gut an. Keine Lebensmittelverschwendung, keine MHD-Panik, kein Wertverlust im Laufe der Zeit, keine Lagerkosten. So garantieren wir unseren Biohöfen gute und stabile Preise.
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Auch aus pragmatischen Gründen wollten wir kein Lager oder Fleisch auf Halde haben. Unser Prinzip war wunderbar einfach: Wir bekommen das Fleisch vom Schlachter, machen die Tür zum Packraum auf, packen alle Pakete, die Pakete werden abgeholt, Tür zu, fertig. Der Gedanke, kein Lager haben zu müssen, war und ist befreiend!
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Die Idee, zuerst das Geld einzusammeln, und danach den ganzen Prozess zu starten, hat besserfleisch überhaupt erst möglich gemacht. Unser Startkapital waren 4000 Euro, davon haben wir Verpackung und das Nötigste an Material gekauft, und los ging es.
Schlachterei Fritze
Bevor wir starten konnten, mussten wir einen guten Schlachter finden. Als wir das erste Mal auf Schlachter Jürgen Fritze trafen, war er skeptisch. Ob das ganze funktioniert? Diese Pakete, kauft das so jemand? Kann man das Rind überhaupt so aufteilen? Wir haben ihn gelöchert ohne Ende. Irgendwann hat er gemerkt, dass wir es ernst meinen, und Fritze ein Partner geworden, ohne den dieser Laden hier nicht halb so gut wäre.
Wir stellten unsere erste Kuh online. Eine Färse von Bauer Lukas. Da wir nicht alle Pakete verkauften, nahm Lukas uns den Rest für seinen Hofladen ab. Wir machten nach dem Verkauf bei Fritze einen Schlachttermin, die Hälfte des Fleisches bekamen wir für besserfleisch, die andere Hälfte Lukas. Das war Starthilfe vom Feinsten!
So fingen wir an, und es funktionierte. Am Anfang haben wir viel gelernt, viele gute Entscheidungen getroffen, manchmal Mist gebaut, Pakete verbessert, Abläufe vereinfacht.
Wir werden „mehr“
Dann kamen die Medien und berichteten über uns. Viele von euch haben uns so kennengelernt. Immer mehr Menschen kauften unsere Pakete. Das war toll, denn das bedeutete, wir konnten mit mehr Biohöfen zusammenarbeiten. Es gibt so tolle Höfe, und wir haben so wundervolle Landwirt:innen gefunden.
Unsere Alltagsprobleme beim Cowsharing
Nach all der anfänglichen Aufregung merkt man irgendwann, wo die eigenen Schwachstellen sind:
Wenn man Fleisch verkauft, ohne eine genaue Kilozahl zu kennen (das Rind läuft ja noch auf der Weide), dann liegt man nicht immer richtig. Mal ist ein Rind leichter als vor der Schlachtung gedacht, mal schwerer. Die Rinder sind alle unterschiedlich bemuskelt, und manchmal geht unsere Rechnung nicht auf. Wir haben dann mehr oder weniger Fleisch als vorher kalkuliert.
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Wer schon häufiger bei uns bestellt hat, wurde vielleicht schon mal enttäuscht, weil wir ein Paket nicht mehr packen konnten. In dem Fall hatten wir zu wenig Fleisch.
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Manchmal stellen wir noch Pakete nach der Schlachtung online, weil wir merken, wir haben mehr Fleisch als gedacht. Auch unsere Wurstprodukte stellen wir her, wenn wir noch Fleisch übrig haben. Ab und zu haben wir jemanden von euch angerufen, ob er/sie ihr Paket vielleicht schon früher bekommen möchte, weil wir gerade noch eins mehr packen können.
Das sind unsere Alltagsproblemchen, die wir eben lösen müssen.
Die Situation der Schlachtereien ändert sich
Parallel zu unserer Alltagssituation entwickelt sich die „Schlachtereienlandschaft“ leider gar nicht gut.
Seit wir mit besserfleisch begonnen haben, haben in Schleswig-Holstein mehrere kleine Schlachtereien geschlossen.
Das liegt an mehreren Faktoren:
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Es ist schwer, gute Nachwuchskräfte zu finden. Viele Schlachtereien finden keine Nachfolger, die einen alteingesessenen Betrieb übernehmen wollen oder können.
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Die Auflagen sind streng, und werden nicht einfacher. Sie gelten für große wie für kleine Betriebe gleichermaßen, und viele erforderliche Umbauten wären so kostspielig, dass kleine Betriebe sie nicht stemmen können und lieber geschlossen werden.
Wenn an einer Stelle eine Schlachterei geschlossen wird, dann wandert die Kundschaft (also Höfe, die dort ihre Rinder schlachten lassen) zur nächsten. Schlachter Fritze hat in den letzten Jahren viele Kunden aufgefangen, deren näher gelegene Schlachterei dicht gemacht hatte.
Im Sommer dieses Jahres hat in Bad Bramstedt (Mitte Schleswig-Holstein) zudem noch ein riesiger Schlachthof von einem der 4 größten Schlachtriesen in Deutschland geschlossen. Nicht, dass mein Herz an dem großen Apparat hing, aber es hat Auswirkungen auf die Schlachtmöglichkeiten für alle Landwirte. 30 % aller Rinderschlachtungen in SH fanden dort statt. Es gibt hier nicht genug Betriebe, die diese Zahl auffangen können. Die Tiere werden nun in andere Bundesländer transportiert. (Und dort wird die Lage mit den zusätzlichen Tieren aus SH wahrscheinlich auch nicht einfacher.)
Unser Luxus vom Anfang, ganz spontan einen Schlachttermin abmachen zu können, ist schlichtweg vorbei. Die Schlachttermine bei Schlachter Fritze sind komplett ausgebucht. Wir haben im August 2023 unsere Schlachttermine für bis Ende 2024 angemeldet. Also über ein Jahr im Voraus. Das ist planerisch völliger Irrsinn, aber es geht nicht anders. Wenn wir Termine wollen, müssen wir buchen.
Nun denn. Wir machen also unsere Schlachttermine und planen gut. Nach 7 Jahren hat man ein stabiles Bauchgefühl, wie viel man verkaufen kann, und wie viel eben nicht.
Ab und zu hinken wir mit unseren Newsletter-Mails hinterher. Wenn hier im Arbeitsalltag eine Kuh vom Eis geholt werden muss, dann geht der Newsletter zu spät raus. Dann liegt der Schlachttermin zeitlich VOR dem Verkauf aller Pakete.
Das hat bislang trotzdem immer geklappt. Wenn man eingermaßen richtig einschätzt, wie viel man noch an Verkäufen einplanen kann, und wie groß die Tiere sind, dann geht das. Aktuell hinken wir mit unseren Verkäufen wieder stark hinterher.
Die Höfe haben immer weniger Alternativen
Unsere Bauern verlassen sich immer mehr auf uns. Wenn wir sagen, wir nehmen nächstes Jahr 10 Rinder ab, dann suchen sie nicht nach weiteren Verkaufswegen. Dann bleiben die Rinder auf dem Hof und wir kaufen sie ab. Nach mehreren Jahren der Zusammenarbeit ist zwischen uns eine gute Kooperation entstanden.
Bei manchen Landwirten sind langjährig vorhandene Absatzwege neben dem über besserfleisch weggefallen. Spontan einen anderen Verkaufsweg zu finden ist jetzt nicht mehr leicht. Denn wo sollen die Rinder nun geschlachtet werden. Unsere Bauern arbeiten mit uns zusammen, weil es ihnen wichtig ist, wie mit den Tieren umgegangen wird. Ein Tier in einen Schlachthof weiter weg transportieren zu lassen, macht zu viel Bauchschmerzen.
Der Markt ist gerade schwierig
Ihr kennt die Leier, alles wird teuer. Rinder, Schlachtkosten, Verpackung, Logistik – alles kostet mehr als noch 2019. Gleichzeitig merken wir auch, dass viele Kunden haushalten müssen. Manche Abokund/innnen pausieren, bis sie wieder flüssiger sind. Es werden gerade eher die günstigen Pakete gekauft als die teureren. Unsere Gewinnmarge schrumpft gerade, und besonders groß war sie eh nie…
Unsere aktuelle Situation
Und so kommen wir in die aktuelle Situation. Wir haben ein Tier abgenommen, weil wir einen Termin hatten. Weil der Bauer keine Alternative hatte. Und wir konnten es dieses Mal NICHT verkaufen. Wir haben uns das erste Mal so richtig verzockt. 390 kg, unverkauft. Genau das, was ich nie wollte.
Ich bin erschrocken, dass es gerade so weit gekommen ist. Wir haben gegen unser Grundprinzip gehandelt und sind jetzt auf die Schnauze gefallen. Ich habe jetzt ein paar Tage gebraucht, um mich zu sortieren, und weiß, dass es so nicht weiter geht.
Wir haben uns verfahren und müssen dringend den Kurs korrigieren.
Nächstes Jahr wird sich einiges ändern. Was, das müssen wir jetzt austüfteln. Wir brauchen flexiblere Absatz-Möglichkeiten, aber ohne, dass einer von uns (Höfe, Schlachter, Bestellende und wir) negative Auswirkungen bekommt.
Wir werden unsere Rinderanzahl verkleinern. Unser Abo-Modell wird sich erweitern. Wir überlegen, den ganzen Laden hier umzustrukturieren. Wir werden uns Dinge anschauen wie: Non-Profit-Strukturen, Zahlen offenlegen, Spenden sammeln, Förderungen beantragen, usw.
Wer das liest und Lust hat, seine/ihre Expertise einzubringen: meldet euch herzlich gerne.
Was machen wir mit dem 390 kg Rind?
Das aktuell nicht verkaufte Rindfleisch kochen wir ein. Wir werden fertig gekochte Sauce Bolognese, Chili con Carne und Rindergulasch anbieten. Dass Schlachter Fritze sehr gut kochen kann, wissen wir schon vom Mittagstisch. Nun tüfteln wir noch die genauen Rezepte aus, und dann geht es los!