Als Kirsten im Juni 2019 bei uns anrief, wussten wir sofort, dass wir zusammen passen. 4 Jahre zuvor hatte sie den konventionellen Milchhof ihrer Eltern übernommen, und ihn bereits mit vereinten Kräften komplett auf links gedreht.
Für die Rinder hat sich dabei einiges geändert – zum Beispiel behalten nun alle Tiere ihre Hörner. Die größte Veränderung kommt für die männlichen Milchkälber.
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Kirstens Umgang mit den Rindern ist genau so, wie wir uns das wünschen: Ruhig, aber mit klaren Ansagen und Regeln, und viel Zeit und Respekt für die Tiere.
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Seit 4 Generationen betreibt die Familie von Kirsten im Norden von Schleswig-Holstein ihre Landwirtschaft. Als Kirsten mit der Hofübernahme liebäugelt steht für sie fest: Mit ihr geht es nur ökologisch weiter. Sie leistet so lange Überzeugungsarbeit, bis feststeht: die Familie macht mit und es kann losgehen.
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Seit 2016 behalten die Rinder nun ihre Hörner. Auf dem Hof laufen nun bunt gemischt die Tiere ohne Hörner von vor 2016 und die „neuen“ mit Hörnern.
Kirstens Hof ist eine kleine Ausnahme in unserer Bauernhof-Reihe. Denn all unsere anderen Höfe halten Galloway, Dexter oder Angustiere. Diese Rinder sind reine „Fleischrinder“, und werden nicht für die Milchproduktion eingesetzt, denn sie würden nur sehr wenig Milch geben.
Kirstens Hof ist ein Milchbetrieb.
Aber kein gewöhnlicher.
In den meisten Milchbetrieben werden Rassen eingesetzt, die ausschließlich für die Milchproduktion gezüchtet wurden. In Deutschland (und mittlweile weltweit) ist das hauptsächlich das schwarz-weiß gefleckte „Holstein Rind“. Diese Rinder geben sehr viel Milch, setzen aber kaum Fleisch an. Und daraus ergibt sich das gleiche Problem, das wir schon vom „Kükenschreddern“ kennen. Die männlichen Tiere, die keine Eier legen, oder eben im Falle der Rinder keine Milch geben, sind für den Milchbauern „nutzlos“. Aus Kostengründen müssen sie daher schnellstmöglich den Hof verlassen.
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Die Milch verkauft Kirsten an die Nordseemilch. Die Milch wird dann von Edeka in der Bio-Hausmarke verkauft. Kirsten erhält pro Liter Milch 0,46 Euro.
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Die Milchleistung auf Kirstens Hof ist nicht auf Hochleistungsniveau, Die Gesundheit der Kühe geht vor. Im Durchschnitt sind sie 7 Jahre alt. Das sei noch jung für ihren Betrieb, sagt Kirsten.
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Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb zur Welt bringen. In den meisten Betrieben werden Holsteiner Kühe eingesetzt, und diese sind keine Doppelnutzungsrasse. Wenn eine solche Kuh ein männliches Kalb zur Welt bringt, ist dieses Kalb ein „Abfallprodukt“ - es setzt kein Fleisch an, und wird keine Milch geben.
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Als wir ankommen hatten die Kälber gerade im Stall Schutz vor der großen Mittagshitze gesucht. Kurz danach begibt sich die kleine Gruppe wieder hinaus auf die Wiese vor dem Stall.
Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie zuerst ein Kalb zur Welt bringen. Auch danach muss sie jedes Jahr ein neues Kalb zur Welt bringen, denn sonst nimmt die Milchleistung ab.
Wenn es ein weibliches Kalb wird, kann es großgezogen werden und zur Milchproduktion eingesetzt werden. Wenn es ein männliches Kalb wird, nicht. Dieses männliche Kalb kann auch nicht einfach aufgezogen werden, um dann für den Fleischverkauf geschlachtet zu werden. Denn die Hochleistungsrassen sind ausschließlich für die Milchproduktion gezüchtet, die Genetik der Tiere lässt jedes bisschen Energie in die Milch fließen, Muskelfleisch Fehlanzeige. Die Aufzucht dieser Kälber wäre sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch nicht sinnvoll – denn die Kälber fressen und verbrauchen zwar das Futter, und brauchen sehr viel Futter, um nicht wie ein Klappergestell auszusehen.
Üblicherweise werden diese Kälber daher so schnell wie gesetzlich möglich nach 2 Wochen verkauft und in spezialisierte Kälbermastanlagen abtransportiert. Dort werden sie mit Milchaustauschern und Getreide hochgezüchtet. Da sich viele dieser Kälbermastanlagen im Ausland befinden (Holland, Spanien), sind die Transportstrecken entsprechend lang. Nach einer kurzen Mastzeit von 6 bis 8 Monaten werden sie geschlachtet.
UNSER PROJEKT
Kirsten möchte das auf ihrem Hof anders machen. Die Grundvoraussetzungen sind schon geschaffen, und jetzt folgt die schrittweise Umsetzung:
Ihre Rinderrasse ist nicht die Holsteiner Milchkuh, sondern „Rotbunte“. Diese Rasse ist eine sogenannte „Zweinutzungsrasse“. Die Rinder geben zwar weniger Milch als eine Hochleistungsrasse, aber ausreichend Milch, sodass sie sich für die Milchproduktion eignen, setzten aber auch genug Fleisch an, sodass sich eine Aufzucht der männlichen Kälber „lohnt“. Und genau das tut Kirsten seit Beginn ihrer Hofübernahme: Sie hat jedes Jahr ein paar Ochsen behalten, und diese sind auf der Ochsenweide aufgewachsen. 2019 waren es 3 Ochsen für besserfleisch, 2020 sind es schon 11 Tiere.
Langfristig möchte Kirsten sehr viel mehr ihrer männlichen Kälber behalten. Sie träumt davon, dass sie alle Kälber aufziehen kann. Dafür braucht es aber verlässliche Vermarktungsstrukturen, und einen entsprechenden Erlös. Und an diesem Punkt wollen wir zusammenarbeiten.
Kirsten bekommt von uns für ihre Rinder den üblichen „besserfleisch-Preis“. Lachend erzählt sie uns: „Als ich meinem Vater den Preis genannt habe, ist der mir fast vom Stuhl gefallen. Er meinte, früher musste er für einen viel niedrigeren Preis stundenlang rumdiskutieren…“
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Dieser Ochse ist ein Beispiel für Kirstens Weg: Sie möchte alle Ochsen mit aufziehen. 3 Jahre alt sollen sie werden können auf Hof HimP, ein deutlicher Unterschied zu den 6-8 Monaten von "normalen" männlichen Milchkälbern. 11 Ochsen sind es bislang, und zusammen mit besserfleisch sollen es nächstes Jahr noch viele mehr werden.
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Die großen Weiden bieten nicht nur den Ochsen viel Platz, sie liefern auch das Futter für die Milchkühe. Die Ochsen leben von April bis November draußen, im Winter werden sie zur Schonung der Weide in den Stall geholt.
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Die Rinderrasse nennt sich „Rotbunte DN“. Das DN steht für „Doppelnutzung“ und bedeutet, dass die Tiere in der Landwirtschaft für zwei verschiedene Nutzen eingesetzt werden können: Die Rinder geben viel Milch, und wachsen so heran, dass sie auch für die Fleischnutzung eingesetzt werden können.
Wir haben nun noch einen langen Weg vor uns. Kirsten und wir werden dieses Projekt nicht über Nacht umsetzen können. Aber Schritt für Schritt reicht ja auch. Und der erste Schritt ist diese Bestellrunde.
(Dies war ein Auszug aus unserer Rundmail vom Herbst 2019. Mehr Infos zu Tieren, Höfen, Arbeitsweisen und Pipapo gibt es regelmäßig in unseren Rundmails. Zur Zeit verschicken wir etwa alle 2 bis 4 Wochen eine Mail. Wenn du dich für die Mail anmelden möchtest, kannst du das auf unserer Startseite tun.)